Das Ehlener Dorfgemeinschaftshaus
Ein Dorfgemeinschaftshaus für Ehlen
Bereits 1952 entstand in Ehlen die Idee, ein Dorfgemeinschaftshaus einzurichten. Zunächst erwarb die Gemeinde ein größeres Gebäude am Kirchplatz, welches nach ersten Plänen umgebaut und als DGH eingerichtet werden sollte. Als sich dann aber herausstellte, dass dies nicht umsetzbar war, verkaufte man das Objekt und fasste einen Neubau ins Auge.
Bereits 1953 entschied die Gemeindevertretung, beim Land Hessen die Aufnahme in das Programm „ Soziale Aufrüstung des Dorfes“, mit dem Ziel ein Dorfgemeinschaftshaus zu errichten, zu beantragen. In der Sitzung der Gemeindevertretung am 28.12.1953 wurde einstimmig beschlossen, das Haus zu bauen.
Schon Anfang 1954 konnte man mit der Planung und am 09. Juni 1954 mit dem Bau zu beginnen.
Das Gebäude an dieser Stelle zu errichten, zeugt von Weitsicht und Kompetenz der damaligen Entscheidungsträger der Gemeinde. In vorderster Front natürlich der erste Ehlener Bürgermeister nach dem 2. Weltkrieg, Friedrich Schramm (siehe weitere Infos). Es liegt verkehrsgünstig, hat genügend Parkraum und ist auch von allen Bürgern gut zu erreichen.
Die Beratung der Gemeinde, die Bauleitung, Überwachung und Abrechnung übernahmen, wie bei allen Dorfgemeinschaftshäusern, Einrichtungen des Landes Hessen.
Eigenleistungen der Bürger waren eine Grundvoraussetzung für die Aufnahme in das Programm. So beteiligten sich am Bau des DGH in Ehlen 100 Bürger, die entweder bei den Erd- und Mauerarbeiten oder handwerklich tätig waren oder das notwendige Baumaterial mit Pferd und Wagen heranschafften.
Nach einer Bauzeit von 16 Monaten konnte
„unser Dorfgemeinschaftshaus“
am 02. Oktober 1955 , als erstes seiner Art im ehemaligen Landkreis Wolfhagen, eingeweiht und den Bürgern von Ehlen übergeben werden.
Programm des Landes Hessen: „Soziale Aufrüstung des Dorfes“
Im Jahre 1951 wurde das Programm des Landes Hessen:„ Soziale Aufrüstung des Dorfes“ beschlossen und umgesetzt. Wichtigstes Element des Programms war der Bau von Dorfgemeinschaftshäusern. Das erste Haus wurde 1951 in Edermünde- Haldorf errichtet. Voraussetzung für den Bau eines solchen Hauses waren immer auch Eigenleistungen der Bürger. Nur unter dieser Voraussetzung gab es Zuschüsse vom Land.
Diese Häuser sollten arbeitserleichternd und gemeinschaftsbildend wirken. Ziel war es auch, die dörfliche Bevölkerung am Fortschritt teilhaben zu lassen und der sogenannten Landflucht entgegenzuwirken. Sie wurden alle mit Kühlanlagen, Waschküchen, Trockenräumen, Obst-Mostereien, Bädern usw., sowie mit Gemeinschaftsräumen für kulturelle Veranstaltungen mit Rundfunk- und Fernsehempfang und Bibliotheken ausgestattet.
Bis zum Jahre 1988 wurden in Hessen 1500 Dorfgemeinschaftshäuser gebaut.
Quelle: Georg August Zinn, „Unsere Aufgabe heißt Hessen“, herausgegeben von der hessischen Landesregierung
Festschrift zur Einweihung des Dorfgemeinschaftshauses in Ehlen-Kreis Wolfhagen vom 02. Oktober 1955
Zur Eröffnung des DGH wurde auch eine Festschrift erstellt. Neben den Grußworten politisch verantwortlicher Persönlichkeiten findet man hier ein Darstellung der gemeindlichen Gremien zu dieser Zeit. Besonders interessant ist die Tatsache, dass die in der Gemeinde ansässigen Handwerksbetriebe, der örtliche Handel und die in der Gemeinde tätigen überörtlichen Institutionen sich präsentieren konnten.
Ergänzt wurde dies durch eine Darstellung der Geschichte unserer Gemeinde, zusammengestellt von Armin Rudolph, Lehrer in Ehlen.
Die Broschüre wurde digitalisiert und kann bei Interesse hier als PDF-Datei heruntergeladen werden: Festschrift DGH Ehlen von 02. Oktober 1955
Soziale Einrichtungen im neu errichteten Dorfgemeinschaftshaus
Nach den Vorgaben des Landes Hessen wurde auch unser Dorfgemenschaftshaus mit besonderen sozialen Einrichtungen ausgestattet, die den Menschen im Dorf einerseits das Leben erleichtern und andererseits die Gemeinschaft und den Zusammenhalt fördern sollten. Diese Einrichtungen wurden von der Bevölkerung über viele Jahre intensiv genutzt. Erst eine nachhaltige Verbesserung der Lebensumstände der Menschen im Dorfe und damit einhergehende Veränderung der individuellen Ansprüche an das eigene Wohnumfeld, führten zu einem Rückgang der Nutzung, die später zu einer Abschaffung einzelner Elemente führte.
Der Gemeinschaftsraum mit Lehrküche
Ein besonderes Element unseres Dorfgemeinschaftshauses war der große Gemeinschaftsraum mit der angrenzenden Küche.
Dieser Raum wurde von Beginn an sehr intensiv für Familienfeiern, Vereinstreffen, Fernsehabende und Sitzungen der gemeindlichen Gremien genutzt. Hier fanden bis zu 40 Personen Platz.
Auch die Bücherei war in diesem Raum in mehreren Schränken untergebracht.
Die Küche wurde insbesondere bei Familienfeierlichkeiten in Anspruch genommen. Hier wurden vollständige Menüs für Hochzeiten und andere Feierlichkeiten frisch gekocht und den Gästen serviert. Partyservice war damals noch nicht bekannt. Berichten zufolge gab es im Dorf sogenannte Kochfrauen, die bei solchen Feierlichkeiten ihre Dienste zur Verfügung stellten.
Die Vermietung der Räume und die Reinigung war eine der wichtigsten Aufgaben der Hausmeisterin Frau Buck.
Der erste Fernsehapparat
„Durch die Fernsehanlage wird den Bewohnern das Fenster zur Welt geöffnet...“ so Baurat Franke in seinem Grußwort zur Einweihung des DGH am 02.10.1955.
Dieser erste Fernsehapparat, der von der Landesregierung gespendet wurde, war angesichts der Tatsache, dass in Ehlen in den wenigsten Haushalten ein solches Gerät zu finden war, ein besonderes gemeinschaftsbildendes Element.
Samstags und Sonntags waren Fernsehabende angesagt. Der Gemeinschaftsraum war fast immer überfüllt, wenn Frau Buck um 20:00 Uhr das Fernsehgerät einschaltete und das Programm auswählte. Auch die Kinder des Dorfes konnten am Mittwoch die wenigen Kindersendungen betrachten.
Da sich immer mehr Bürger bis Ende der 60er Jahre ein eigenes Fernsehgerät anschafften, wurde diese Dienstleistung mangels Nachfrage eingestellt.Dieser erste Fernsehapparat wird vom Geschichts- und Heimatverein im Museum des GHV aufbewahrt.
Gemeinschaftswäscherei
An der Nordseite des Kellergeschosses des neu erbauten Hauses befand sich die „Gemeinschaftswaschanlage“.
In einer Zeit, als die meisten Hausfrauen im Dorf ihre Wäsche noch überwiegend mit der Hand wuschen- eine eigene Waschmaschine konnte sich kaum jemand leisten- war diese Einrichtung ein besondere Erleichterung bei der schweren Hausarbeit. Infolgedessen wurde dieses Angebot sehr intensiv angenommen, sodass hier auch viele Ehlener Frauen für lange Zeit Arbeit fanden.
Dort standen 3 Waschmaschinen, 2 große mit 12 kg Inhalt und eine kleine mit 3 kg Inhalt für die Buntwäsche. Die Wäsche wurde von den Bürgern in Körben gebracht und diesen wieder schrankfertig übergeben. Für das Glätten stand einen elektrische Heißmangel zur Verfügung, die zunächst im Waschraum untergebracht war, nach der Einstellung des Mostereibetriebs in den dafür vorgesehenen Raum verlagert wurde. In den 70er Jahren hat die Gemeinde den Wäschereibetrieb mangels Nachfrage eingestellt. Nur der Mangelbetrieb wird noch heute von vielen Bürgern genutzt.
Tiefgefrieranlage
Im Kellergeschoss, unter dem großen Gemeinschaftsraum, befand sich die Tiefgefrieranlage. Ein geschlossener Raum ohne Fenster, der vollständig gekühlt wurde. Diese technische Einrichtung, war für die Dorfbevölkerung ein Segen, konnte man doch nun, ohne besondere Konservierungsverfahren, Schlachtprodukte über einen längeren Zeitraum aufbewahren. Nach anfänglicher Zurückhaltung gründeten Anfang 1956 51 Personen eine Gefriergemeinschaft, die 50 % der Kosten der Einrichtung übernehmen mussten.
Im Gefrierraum gab es 126 geschlossene Boxen („Kaninchenställe“), die von den Bürgern gemietet werden konnten. Es gab zwei Fachgrößen: 100 l (Gebühr 1 DM im Monat) und 200 l (Gebühr 2 DM im Monat). Berichten zufolge war die Anlage später so stark gefragt, dass in den Gängen ganze Schweinehälften abgelegt wurden. Die Anlage wurde von Frau Buck betreut, die auch für den Einzug der Gebühren zuständig war. Geöffnet war diese Einrichtung morgens von 7:00 Uhr bis 8:00 Uhr und im Sommer zusätzlich von 19:00 Uhr bis 20:00 Uhr.
Nachdem die Anlage 1973 defekt war, wurde die notwendige Reparatur von der damaligen Gemeindeverwaltung von einer erneuten wesentlichen Kostenbeteiligung der Gefriergemeinschaft abhängig gemacht. Da dies nicht zu erreichen war und auch die Nachfrage zurückging, wurde die Anlage stillgelegt und später abgebaut.
Wannen- und Brausebäder zur Gesundheitspflege
Im Erdgeschoss des DGH befanden sich auf der Nordseite die Wannen- und Brausebäder.
Da es in den 50er Jahren zu den absoluten Ausnahmen im Dorf gehörte, im eigenen Haus ein solches Bad zu besitzen, wurde diese Einrichtung sehr stark angenommen. Bis zu 100 Ehlener nutzten dieses Angebot Woche für Woche.
Badezeit war jeweils Samstags von 13:00 Uhr bis 24:00 Uhr.
Der Badebetrieb wurde von der Hausmeisterin, Frau Buck, beaufsichtigt und betreut. Sie hat die Gebühren kassiert und die Wannen nach jedem Badegang gereinigt.
Für ein Wannenbad waren 50 Pfennig und für ein Brausebad 30 Pfennig zu entrichten.
Mitte der 60er Jahre (ca. 1965) wurde der Betrieb wegen der zurückgehenden Nachfrage eingestellt. Ab 1975 hat die Gemeinde, nach dem Rückbau der Badeanlage, hier das Standesamt der Gemeinde Habichtswald eingerichtet.
Bücherei
Ein besonders wichtiger Bereich der Dorfgemeinschaftshäuser waren die Büchereien. Eingerichtet wurden diese insbesondere, um die „Volksbildung“ zu fördern.
Die Ehlener Gemeindebücherei, die noch heute existiert und rege in Anspruch genommen wird, wurde von Beginn an bis 1992 von der Lehrerin Frau Lutz betreut, die auch bis dahin im Hause wohnte.
Schon im Jahre 1956 standen 250 Bücher zur Ausleihe zur Verfügung. Die Bücher waren im großen Gemeinschaftsraum in mehreren Schränken untergebracht. Dort konnten die Ehlener zu festen Öffnungszeiten die Bücher ausleihen.
Das Angebot wurde damals, wie auch heute, vorwiegend von Kindern und Jugendlichen in Anspruch genommen.
Seit 1994 befindet sich die Bücherei im neuen Teil des DGH.
Gemeindeschwesternstation
Im Erdgeschoss auf der Westseite des DGH, im Bereich der heutigen Herrentoiletten, befand sich die Gemeindeschwesternstation. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es in den 50er Jahren auf dem Lande nur wenige niedergelassenen Ärzte tätig waren, gehörte diese Einrichtung zu den wichtigsten Elementen des Hauses und war ein zwingend notwendige Einrichtung zur Gesundheitsfürsorge in der Gemeinde.
Die Gemeindeschwester war nach Absprache mit dem Arzt für alle erforderliche Pflege- und Behandlungsmaßnahmen zuständig und war bei Verletzungen und akuten Erkrankungen die erste Ansprechpartnerin.
Unsere Gemeindeschwester Margarethe Muth war in dieser Zeit für Ehlen, Dörnberg, Burghasungen und Ölshausen zuständig. Da sie im DGH wohnte, war sie in Ehlen auch immer erreichbar.
Mitte der 60er Jahre, nach der Pensionierung, ging sie zurück in das Mutterhaus in Marburg.
Obstmosterei
Auf der Westseite des Kellergeschosses, unterhalb den heutigen Toiletten, befand sich die Obstmosterei. Der damalige Ortsdiener Heinrich Schulz hatte die Aufgabe übernommen, das von den Ehlener Bürgern angelieferte Obst zu pressen und den Obstsaft, abgefüllt in Flaschen, gegen eine geringe Gebühr wieder an diese auszuliefern.
Nach kurzer Zeit erkannte man, dass der Saft nicht ausreichend sterilisiert und daher nicht lange haltbar war und nach kurzer Zeit verdarb.
Da die Gemeinde die Kosten für die Anschaffung des notwendigen Sterilisationsgeräts scheute, stellte man den Betrieb nach einem Jahr ein.
Die Gemeindeverwaltung
In den meisten kleineren Gemeinden, so auch in Ehlen, war das Bürgermeisteramt im Hause des Bürgermeisters eingerichtet. Bei den Tätigkeiten eines ehrenamtlichen Bürgermeisters reichte im Allgemeinen auch ein Zimmer aus, um den Verwaltungsbetrieb aufrecht zu halten.
Selbstverständlich hat man beim Bau des neuen Dorfgemeinschaftshauses auch eine Bürgermeisteramt, unmittelbar neben dem großen Gemeinschaftsraum, für die Beschäftigten der Gemeindeverwaltung eingerichtet.
Da in der damaligen Zeit neben dem Bürgermeister nur noch ein Gemeinderechner und ein Ortsdiener im Dienste der Gemeinde standen, war ein solcher Raum für die Verwaltungsgeschäfte in einer kleinen Gemeinde ausreichend.
Gemälde im großen Gemeinschaftsraum
Der große Gemeinschaftsraum, als wichtigstes Element des neu erbauten Hauses, wurde 1955 an den Wänden der Ost- und der Nordseite mit außergewöhnlich schönen Gemälden ausgestattet. Neben den Motiven des Herkules und des Schlossparks in Kassel auf der Ostseite, konnte man auf der Nordseite arbeitende Menschen betrachten. Diese besonderen Kunstwerke sollte die Beziehung der arbeitenden Menschen zu unserer schönen Heimat darstellen.
Sie wurden von dem Gebrauchsgrafiker Atze Müller geschaffen, der in einem kleinen Haus im Grund zwischen Ehlen und Dörnberg wohnte und arbeitete.
Er ist auch der Schöpfer der Grafik „Ehre der Arbeit“, die bis vor wenigen Monaten an der Außenwand des DGH betrachtet werden konnte.
Leider wurden die Bilder im Gemeinschaftsraum bei Renovierungsmaßnahmen Mitte der 80er Jahre übermalt.
Charlotte Buck
Ein Leben für unser Dorfgemeinschaftshaus
Keine Persönlichkeit war in den vergangenen Jahren seit der Einweihung unseres Dorfgemeinschaftshauses, so mit diesem Hause verbunden, wie Charlotte Buck.
Sie war vom Tage der Einweihung an bis zu ihrem 75. Lebensjahr in diesem Gebäudes tätig und wohnte auch hier. Ihre wichtigste Aufgabe als Hausmeisterin erfüllte sie mit Pflichtbewusstsein, Umsicht und Engagement, aber auch mit Durchsetzungskraft.
Die Verwaltung der Belegungstermine des großen Gemeinschaftsraums und der Küche gehörten ebenso zu ihren Aufgaben, wie die Organisation der samstäglichen Fernsehabende. Es war immer ein besonderes Erlebnis, wenn Frau Buck am Samstag um 20:00 Uhr den Fernseher einschaltete und das Programm auswählte.
Auch war sie in fast allen sozialen Bereichen des Hauses tätig.
Sie verwaltet die Gefrieranlage, den Badebetrieb und die Gemeinschaftswäscherei, arbeitet dort auch viel Jahrzehnte mit, sorgte für einen reibungslosen Ablauf und war für die Reinigung und Pflege aller Gebäudeteile zuständig.
Dass unser Dorfgemeinschaftshaus in den zurückliegenden Jahren so erfolgreich betrieben werden konnte, ist sicher auch ein Verdienst unserer Frau Buck.